Gemeindenachricht
"Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein"
Schlager sind Ausdruck ihrer Zeit
28.02.2016
Gleichzeitig war der Abend ein unterhaltsamer und anregender Exkurs durch 40 Jahre deutsche Geschichte.
Bei der musikalisch-literarischen Zeitreise (von links) Frederic Hollay, Julia von Miller und Anatol Regnier.
Dabei machten Julia von Miller und Anatol Regnier, am Flügel von Frederic Hollay kongenial begleitet, das politische oder gesellschaftliche Umfeld deutlich, in denen bestimmte Schlager oder Chansons erst entstehen konnten. Sie eröffneten mit "Wenn ich mir was wünschen dürfte" von Friedrich Hollaender aus der Zeit vor der Weltwirtschaftskrise. Deren Schuldige präsentierte Julia von Miller mit dem stimmig vorgetragenen, von Hollaender für Claire Waldoff geschriebenen Song "Raus mit den Männern aus dem Reichstag".
Dass aber auch die Frauen ihre Probleme haben, zeigte sich an der symbiotischen Beziehung zum Führer. Beispiel dafür war das von Miller und Regnier im Duett gesungene "Ich tanze mit dir in den Himmel hinein", im Original waren Willy Fritsch und Lilian Harvey die Interpreten. Deutlich wurde aber auch, dass in vielen Liedern des Dritten Reichs ein durchaus kritischer Hintergrund durchschimmerte.
Dies war nicht der Fall in den beiden von Zarah Leander gesungenen Durchhaltesongs "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" und "Davon geht die Welt nicht unter", beide mit dem Text von Bruno Balz. Sein Schicksal berührte. Von den Nazis als bekennender Homosexueller inhaftiert, 1941 auf Intervention von Michael Jary freigekommen, schrieb er einen Tag später den Text für beide Lieder, die ihm dann nach 1945 Schwierigkeiten mit den Alliierten einbrachten. Nicht fehlen durfte aus dieser Zeit mit "Lilli Marleen" der Schlager schlechthin.
Die Nachkriegszeit wurde verdeutlicht durch das von Julia von Miller mit großem Furor interpretierte "Ich will nen Cowboy als Mann" und für die Gastarbeiterwelle standen "die beiden kleinen Italiener". Weitere Schwerpunkte aus dieser Zeit waren die Managerkrankheit -"Der Onkel Doktor hat gesagt.." oder die beginnende Sexwelle mit dem "Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini".
Jedes der mit viel Empathie vorgetragenen Lieder wurde mit zunehmendem Applaus bedacht, in den auch der hervorragende Pianist Frederic Hollay mit einbezogen wurde. Für den lebhaften Beifall bedankten sich die Künstler mit einer Zugab, und dankten für die gute Betreuung im Kulturtreff und durch den Kulturring. Erste Gespräche für ein weiteres Gastspiel wurden von Christina Rieker, der Geschäftsführerin des Kulturrings geführt.