Gemeindenachricht

Kirwe in Reichenbach
ein alter Brauch wird wieder lebendig


Die Kirwe, eigentlich Kirchweih, hat vor allem in Reichenbach eine lange Tradition. Der Erfolg in diesem Jahr sollte die Verantwortlichen ermutigen, über Wiederholungen nachzudenken, nicht unbedingt zwar in jährlichem Turnus.


Die 17-köpfige Kirwegesellschaft versammelte sich auf der Bühne in strenger Rangordnung: je weiter ein Mitglied rechts stand, desto höher war sein Rang.

Jetzt wurde sie von Gesangverein "Concordia", Musikverein "Lyra" und den Heimatstüblern in einer Gemeinschaftsaktion wiederbelebt. Zur Mittagszeit war die Festhalle Waldbronn bereits gut besucht, als der Musikverein die Kirwemelodie anstimmte, zu der dann die 17-köpfige Kirwegesellschaft einzog.
Auf der Bühne angekommen begrüßte Kirwe-Bürgermeister Horst Weber alle Besucher und hieß den Schütz (Jürgen Becker), mit seiner strengen Musterung zu beginnen. Und ihm entging nichts: Taschentuch, Kamm, Geldbeutel, Sauberkeit und die allgemeine Erscheinung wurden überprüft. Verfehlungen wie schmutzige Taschentücher oder auch Kämme mit fehlenden Zinken ahndete er kräftig mit Strafschoppen, die beim Rechner zu zahlen waren. Der Postzusteller kassierte gleich deren 100, weil er seinen Kamm vergessen hatte.

Bei der Musterung musste der Kaminkehrer die Tauglichkeit seiner Leiter beweisen.


Nicht ungeschoren kam auch der Kirwe-Bürgermeister davon, der sich dann revanchierte und den Schütz einer Musterung unterzog und zum Beispiel monierte, dass der Säbel nicht ordentlich befestigt war. Bei der Musterungszeremonie und danach fiel auf, dass sich die Mitglieder der Kirwegesellschaft traditionell nur mit "Herr" und ihrem Titel anreden und grundsätzlich "Sie" gilt. Verfehlungen werden auch hier mit Strafschoppen geahndet.
Überhaupt gibt es für die Kirwegesellschaft strenge Regeln, die vom Schütz überwacht werden. So trinkt die Kirwegesellschaft nur Weinschorle, jedoch immer mit linken Hand. Ebenso darf auch nur links geraucht werden und nur Zigarren. Ein Mitglied darf sich von der Kirwegesellschaft nur mit Erlaubnis des Schütz entfernen.

Nicht einmal Kirwe-Bürgermeister Horst Weber (rechts) war vor der Musterung durch Schütz Jürgen Becker sicher.



Am Nachmittag ging es dann begleitet vom Musikverein und einer großen Zahl von Schaulustigen zu den Heimatstuben in der Reichenbacher Ortsmitte, um den Kirweschimmel abzuholen. Zunächst stärkte sich die Kirwegesellschaft ausgiebig in den Heimatstuben, wo sie vom Heimatstubenteam, unter ihnen auch Bürgermeister Franz Masino, bewirtet wurden, ehe sich der Kutscher auf den Weg machte, den Schimmel aus einem benachbarten Hof abzuholen. Der entpuppte sich als wahres XXL-Exemplar seiner Gattung.


Die Heimatstuben wurden vom gemäß altem Brauch vom Kirweschimmel neu vermessen, aufmerksam beobachtet von der Kirwegesellschaft und vielen Schaulustigen.

Er trabte vergnügt durch die Menschenmenge auf der Stuttgarter Straße, ehe er, unterstützt vom Geometer und aufmerksam von der Kirwegesellschaft und allen Anwesenden beobachtet, das Gebäude der Heimatstuben vermessen durfte. Nach dieser traditionellen Zeremonie, die sich früher an vielen Häusern im Ort zutrug, zogen alle wieder zurück in die Festhalle.
Nach Einbruch der Dunkelheit wurde vor der Festhalle der Kirweschimmel verbrannt, gut gesichert durch die Freiwillige Feuerwehr Waldbronn, und unter großem Wehklagen wurde die "Bergpredigt" durch den Bürgermeister verlesen. Bis zum Wiedereinzug in die Festhalle musste auch der Heiratsvermittler eine Frau für den Kirwebürgermeister gefunden haben, damit der Hochzeitstanz stattfinden konnte. Mit dem Reitermarsch durch die Festhalle löste sich auch die Kirwegesellschaft auf.


Unter großem Wehklagen wurde der Tradition entsprechend am Abend der Kirweschimmel auf der Wiese gegenüber der Festhalle verbrannt.