Gemeindenachricht

Gedenken macht Leben menschlich, Vergessen unmenschlich



Zahlreiche Waldbronner Bürgerinnen und Bürger aus allen drei Ortsteilen waren zur zentralen Feierstunde der Gemeinde zum Volkstrauertag nach Etzenrot gekommen.

Bürgermeister Franz Masino sagte in seiner engagierten Ansprache:
"Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, meine sehr geehrte Damen und Herren, liebe Jugend.
Jedes Jahr, wenn die dunkle Jahreszeit sich mehr und mehr Raum verschafft, begehen wir den Volkstrauertag und gedenken der Toten, die durch die Weltkriege und in ihnen den Tod erlitten haben. Diese Kriege wurden von Völkern, genauer: von Staaten und ihren Regierungen gegeneinander geführt. Wir sollen und wollen diese Toten ehren und ihrer gedenken, die meist nicht freiwillig das Opfer ihres Lebens gebracht haben.
Das Jahr 2018, der Volkstrauertag heute, steht historisch im Zeichen zweier Kriege sowie einer Begebenheit unserer jüngeren deutschen Geschichte, die in ihrer Zeit unermessliches Leid über die Menschen brachten. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618 jährt sich zum 400. Mal. Tiefer in unseren Köpfen ist aber der Erste Weltkrieg, der fast auf den Tag vor 100 Jahren endete. Dies war bis dahin der verheerendste Krieg der Menschheitsgeschichte. Nicht zu Unrecht bezeichnen unsere Nachbarn, die Franzosen, diesen Krieg als „La Grande Guerre“, als den Großen Krieg. Ja, es war ein großer Krieg. Groß in seiner nie zuvor da gewesenen Grausamkeit, in seiner Anzahl an Menschenopfern. Rund 40 Nationen schickten 64 Millionen Soldaten in den Kampf. 10 Millionen gesamt, also mehr als 6 Tausend täglich, verloren ihr Leben. Zehntausend Kirchenglocken wurden allein in Deutschland für Munition eingeschmolzen. Wahnsinn.
Wie sagte doch Großbritanniens Außenminister Edward Grey im August 1914, als sein Land Deutschland den Krieg erklärte:  Jetzt verlöschen die Lichter in ganz Europa. Viele werden sie nie wieder in ihrem Leben brennen sehen. So kam es dann auch.
Wer nach dem Ende des Ersten Weltkriegs glaubte, dass es etwas Schlimmeres nicht mehr geben könnte, wurde von 1939 bis 1945 eines Besseren belehrt.
Und davor stand, ebenso fast auf den Tag genau vor 80 Jahren, die Reichspogromnacht. Die vom nationalsozialistischen Regime organisierten und gelenkten Gewaltmaßnahmen gegen Juden im gesamten Deutschen Reich. Dabei wurden in der Pogromnacht etwa 400 Juden ermordet, weitere 400 kamen in den Folgetagen ums Leben. Über 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Was ab 1939 folgte wissen wir alle und sehen es leider auch hier hinter mir für Etzenrot dokumentiert.
Wenn wir heute an die Kriege erinnern und wieder über die Nazizeit reden, tun wir das nicht, um eine traurige Vergangenheit zu beleben und uns schuldig zu machen, sondern um Mut zu machen für die Gegenwart und unsere Zukunft. Es geht darum, den Menschen vor Augen zu führen, dass Intoleranz, Rassismus, die Einschränkung von Rechten, aber auch der innere Rückzug immer zum Schlimmsten führen, nämlich zum Leid und Tod unschuldiger Menschen. Gerade wir Demokraten und Christen sind aufgerufen, uns dem neuen aggressiven Nationalismus entgegen zu stellen. 73 Jahre in Frieden und Freiheit hier in der Mitte Europas, will man das wieder aufs Spiel setzen? Ein starkes, ein gemeinsames Europa, in Frieden und Freiheit, mit offenen Grenzen, dafür lohnt es sich jeden Tag zu kämpfen.
Aufmärsche rechtsradikaler Gruppen müssen uns wachsam halten. Wir dürfen der rechten Szene keinen Meter Boden überlassen. Dass alle „Nie-wieder!“ Appelle keine tatsächliche Änderung bewirkt haben, wird uns täglich in den Medien vor Augen geführt. Es zeigt sich heute in der Jagd auf Mitmenschen anderer Hautfarbe, anderer Religionen, anderer ethnischer Herkunft fast täglich in den Medien.
Aber auch Jenen die bei uns zu Gast sind oder hier eine neue Heimat finden wollen, sich aber nicht an unsere freiheitliche Grundordnung halten, sei eines zugerufen: „Wer Andersgläubige für minderwertige Menschen hält, gegen die Gewalt legitim wäre, kann und darf bei uns kein Zuhause finden.“
Und genauso sei all Jenen gesagt, die dieses für ihre rechtsradikalen Ideologien nutzen und das Jüdische Denkmal in Berlin für ein Denkmal der Schande oder das Naziregime für einen Fliegenschiss unserer Geschichte halten, wir werden nicht zulassen, dass ihr Frieden und Freiheit in unserem Land beschädigt.
Wir Demokraten sind aufgefordert, in Wort und Tat dem entschieden entgegen zu wirken. Setzen wir mit dem Treffen heute auch ein klares Zeichen gegen Hass und Gewalt.
Schon deshalb bleiben unsere Gedenkstätten, wie dieses Mahnmal hinter mir, bleibt dieser Gedenktag ein notwendiger Stachel im Fleisch. Die Erinnerung hält uns zum Innehalten und Überdenken an. Und öffnet für uns auch den Blick auf die Gegenwart und Zukunft – jedenfalls wenn man die Geschichte kennt, sie nicht leugnet und die richtigen Schlüsse daraus zieht.
Dass die Welt auch heute nicht von Frieden regiert wird und Menschen nach wie vor unter Hunger, Krieg und Verfolgung leiden ist doch eine Schande. Der Krieg im Jemen, der nicht enden wollende Krieg in Syrien, Hunger und Vertreibung in Afrika, immer wieder Streitereien zwischen Israelis und Palästinensern, ein kritischer Journalist wird ermordet und entsorgt, fast täglich Anschläge des sogenannten Islamischen Staats der vorgibt eine Weltreligion zu vertreten. Das ist doch schon die täglich gewohnte Dosis mit vielen Toten in den Nachrichten. Leider müssen wir festhalten: solange den Weltmächten wirtschaftliche Interessen wichtiger sind als Menschenleben, solange wird sich das nicht ändern.
Trotz des traurigen Gedenkens an Krieg und Gewalt am Volkstrauertag ist der Tag heute auch ein Tag der Hoffnung.
Wie sagte doch der Theologe Eberhard Bethge: Gedenken macht Leben menschlich, Vergessen macht es unmenschlich.
Der Sonntag ist nach christlichem Verständnis der erste Tag einer neuen Woche. Er gibt uns immer wieder die Chance in einem christlichen Miteinander für Frieden und Freiheit zu kämpfen. Denn es gibt keinen gerechten Krieg und es gibt keine gerechte Gewalt. Tun wir etwas dagegen.
Ich komme zurück auf den Spruch des Außenministers 1914. Sorgen wir dafür, dass die Lichter in Europa niemals wieder verlöschen, dass gerade wir Deutschen mit unserem früheren Erzfeind, den Franzosen, Vorreiter für Frieden und Freiheit in einem geeinten Europa bleiben.
Denn, kann es eine schönere Aufgabe geben, als sich für Frieden und Freiheit unter den Menschen einzusetzen?"
Das nächste, eindrucksvolle Musikstück hatte einen besonderen Hintergrund, stammte es doch aus Afrika und schildert die Not der dort lebenden Menschen, die sie dazu bringt, sich nach Europa aufzumachen in der Hoffnung, eine neue Heimat und ein besseres Leben zu finden.
Zum Totengedenken führte Bürgermeister Franz Masino aus:
"Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt."

Lesung und Gebet sprach Pfarrer Torsten Ret (links)
am Ehrenmal in Etzenrot.



Pfarrer Torsten Ret griff nach Lesung und Gebet in einer kleinen Ansprache das Thema Frieden ebenfalls auf. Wir müssten aber auch alle fragen, was wir dazu beitragen, dass im Dorf, in der Gemeinde Frieden herrsche.
Zur Melodie von "Ich hat einen Kameraden" legte der Bürgermeister einen Kranz nieder. Er bedankte sich zum Ende bei allen, die zum Gelingen der Feierstunde beigetragen haben. Mahnung für Frieden und Freiheit seien auch die vielen Kriegsgräberstätten, es sind 824 in 45 Staaten. Sie werden betreut und gepflegt vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Damit diese Stätten auch zukünftig erhalten bleiben, bedarf es finanzieller Mittel. Deshalb werde durch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr für diesen Zweck gesammelt.
Die Feierstunde selbst endete mit der gemeinsam gesungenen Nationalhymne. Im Anschluss wurden an den Gefallenendenkmälern in Reichenbach am Brunnenplatz sowie in Busenbach im Friedhof Kränze niedergelegt.