Gemeindenachricht
Mittelalterliches Sühnekreuz wieder aufgestellt
Das mittelalterliche Sühnekreuz, das Anfang des Jahres im „Oberen Wingertfeld“ geborgen worden ist, wurde von der Firma Zeeb restauriert und an der Ecke Ettlinger-/Ostendstraße wiederaufgebaut. Während einer kleinen Gedenkstunde ist an die Geschichte des Kreuzes erinnert worden.
Für Bürgermeister Christian Stalf ist die Historie einer Gemeinde von großer Bedeutung, „da die Geschichte einer Gemeinde ihre Identität und ihren Charakter prägt“. Historische Ereignisse, Bauwerke und Traditionen würden das soziale und kulturelle Gefüge, das Generationen von Menschen miteinander verbindet, prägen. „Es ist wichtig, dass eine Gemeinde das kulturelle Erbe bewahrt, das von früheren Generationen geschaffen wurde“, betont Stalf. Historie schaffe nicht nur ein Bewusstsein für die Wurzeln einer Gemeinde, sondern stärke auch das Gemeinschaftsgefühl und die Verantwortung für den Erhalt des kulturellen Erbes.
Im Beisein einiger Gemeinderäte sowie Bürgerinnen und Bürger, erläuterte Gemeindearchivar Frank Heinrich anschließend den Hintergrund des Steinkreuzes. „Bei dem hier aufgestellten Steinkreuz handelt es sich um ein sogenanntes Sühnekreuz aus dem 15. Jahrhundert“, sagte Heinrich. Diese Kreuze gehen auf mittelalterliche Rechtsgebräuche zurück, als noch kein einheitliches Rechtssystem existierte. Totschlagsdelikte wurden oft nicht von der Obrigkeit verfolgt, sondern in privaten Verträgen zwischen dem Täter und den Hinterbliebenen des Opfers beigelegt. Durch einen solchen Sühnevertrag verpflichtete sich der Täter beispielsweise Messen für das Seelenheil des Opfers lesen zu lassen, Wachs an die Kirche zu spenden, eine Wallfahrt zu unternehmen oder den Hinterbliebenen eine Geldbuße zu zahlen. In der Regel hatte der Täter am Tatort auch ein Steinkreuz errichten zu lassen. In der mittelalterlichen Glaubensvorstellung war das Seelenheil des Opfers gefährdet, da es ohne die Sterbesakramente gestorben war. Das Sühnekreuz sollte alle Vorübergehenden dazu auffordern ein Gebet für das Opfer zu sprechen, um die Seligkeit des Toten zu erbitten. In einer Zeit, in der nur eine Minderheit des Lesens und Schreibens mächtig war, wurde statt eines Namens, das Standeszeichen des Opfers in das Kreuz gehauen. Hier ist ein Pflugsech, das Standeszeichen der Bauern, zu sehen. Dabei handelt es sich um ein messerähnliches Teil, welches den Pflug beim Pflügen in seiner Schneise hält. Der Brauch des Sühnevertrages wurde erst durch die Einführung des ersten reichsweit gültigen Strafgesetzbuches, der Constitutio Criminalis Carolina Kaiser Karls V., im Jahre 1533 untersagt, lebte jedoch noch einige Jahrzehnte fort. „Der Aufstellungsgrund und der ursprüngliche Aufstellungsort dieses Steinkreuzes sind unbekannt“, ergänzte Heinrich. Der älteste bekannte Aufstellungsort befindet sich etwa 150 nordöstlich von hier. Bei der Bebauung dieses Gebietes wurde das Kreuz vermutlich auf die sich nördlich anschließenden Pferdekoppeln verbracht, wo es mehrere Jahrzehnte stand. Im Jahre 2024 wurde das Kreuz von der Gemeinde Waldbronn restauriert und an der Ecke Ettlinger-/Ostendstraße wieder aufgestellt. Ein Blumenstock und Kerzen erinnern an das Opfer.
Auf einer Info-Tafel kann die Geschichte des Sühnekreuzes nachgelesen werden.