Gemeindenachricht

Gedenken zum Volkstrauertag: „Versöhnung, Verständigung und Frieden sind die Säulen einer friedfertigen und aufgeschlossenen Gesellschaft“


Der Volkstrauertag fand bei strahlendem Sonnenschein am Ehrenmal in Etzenrot statt.

„Nie wieder Krieg – gemeinsam für den Frieden“ – so das Motto des diesjährigen Volkstrauertags und der gleichlautende, eindringliche Appell von Bürgermeister Christian Stalf. Gemeinsam mit dem Gemeinderat und zahlreichen Waldbronner Bürgerinnen und Bürger gedachte er am vergangenen Sonntag am Ehrenmal in Etzenrot der gefallenen Soldaten und Opfer von Krieg und Bürgerkriegen. Ein stilles Gedenken, so aktuell wie lange nicht mehr. „In diesem Jahr denken wir im Besonderen an die Kriegstoten und ihre Angehörigen in der Ukraine“, sagte Stalf. Ein „sinnloser“ Krieg, der nach über 75 Jahren Frieden wieder Leid, Tod, Unglück und Trauer nach Europa gebracht hat. „Wir müssen Bilder in den Medien sehen, von wir gehofft hatten, sie so auf unserem Kontinent nicht mehr sehen zu müssen.“  Doch nicht nur die Politik beschäftige sich mit dem Thema, auch die Kommunen werden tagtäglich mit den Auswirkungen von Krieg und Flucht konfrontiert. Rund 80 Flüchtlinge, sagte Stalf, bringt die Gemeinde bis Jahresende in kommunalen Unterkünften unter, darunter viele Kinder und Jugendliche. An dieser Stelle bedankte er sich zudem beim Arbeitskreis „Willkommen für Fremde“ für ihre engagierte Arbeit, die Frauen und Männer seien „unermüdlich“ im Einsatz und helfen den Flüchtlingen bei der Bewältigung des Alltags.

Bürgermeister Christian Stalf rief dazu auf, sich für Frieden einzusetzen.

Nicht nur die aktuellen Entwicklungen stellte Bürgermeister Christian Stalf in den Focus seiner Rede. Auch zum ursprünglichen Gedanken des Volkstrauertages nahm er Bezug. So sei der Tag ein Tag der Trauer, aber auch ein Tag des Erinnerns und des Kampfes gegen das Vergessen. Dabei sei es wichtig, eine „Erinnerungskultur“ aufrecht zu halten. Dazu gehören neben einem sichtbaren Zeichen für die Trauer, auch ein unermüdliches Eintreten für den Erhalt des Friedens und der Schöpfung. „Frieden ist ein wertvolles Geschenk, das es zu bewahren gilt“, betonte Stalf. Jeder einzelne könne sich fragen, was er, auch im Kleinen, für den Frieden tun könne. Frieden fange schon im Kleinen an, zum Beispiel bei Toleranz und Respekt auch dem Nachbarn gegenüber. Denn: „Versöhnung, Verständigung, Frieden sind die Säulen einer friedfertigen und aufgeschlossenen Gesellschaft, für die es sich einzusetzen lohnt“, so Stalf.

Anschließend erzählte Pfarrer Andreas Waidler von Vergebung und Nächstenliebe und von der wahren und bewegenden Geschichte des französischen Journalisten, der im November 2015 beim Anschlag in Paris seine Frau und die Mutter seines kleinen Sohnes verloren hat. Antoine Leiris habe, so Waidler, seine Trauer nicht in Hass, Wut und Vergeltungsgedanken verwandelt, sondern vielmehr in einem tausendfach gelikten Post auf Facebook an die Terroristen geschrieben „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ (der gleichnamige Film läuft derzeit in den Kinos). In seiner Ansprache forderte Waidler auf, Böses nicht mit Bösem, sondern Böses mit Gutem zu überwinden, „lasst es uns zumindest versuchen“.

Abschließend bedankte sich Bürgermeister Stalf bei allen Beteiligten, die zum Gelingen der Feierstunde beigetragen haben, insbesondere bei der Marching Band vom Musikverein Etzenrot für die musikalische Umrahmung, bei Pfarrer Andreas Waidler für die Andacht, bei Pastoralassistentin Laura Müller für das Gebet sowie beim DRK Etzenrot und der Freiwilligen Feuerwehr für die Ehrenwache,  Er erinnerte ebenfalls an die vielen Kriegsgräberstätten, die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge betreut und gepflegt werden. Für deren engagierte Arbeit bat Stalf um eine Geldspende. Die Feierstunde endete mit der gemeinsam gesungenen Nationalhymne und einem stillen Gedenken. Gemeinsam mit Bürgermeister Stalf legten die Gemeinderäte an den Ehrendenkmälern in Busenbach und in Reichenbach ebenfalls Kränze nieder. Auch dort wurde nochmals in aller Stille der zahlreichen Opfer aus allen Kriegen gedacht.

Die Marching Band umrahmte die Gedenkfeier musikalisch.

Die Rede von Bürgermeister Christian Stalf im Wortlaut:

"Liebe Mitbürgerinnen, Mitbürger, anwesende Gemeinderäte,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir trauern heute um die Opfer von Gewalt und Krieg überall auf der Welt. Wir gedenken der Menschen, die in Gefangenschaft als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren haben. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage und früher. Wir trauern mit allen Menschen, die Leid tragen oder einen lieben Menschen durch Krankheit verloren haben, wie in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Corona-Pandemie.
Doch in diesem Jahr denken wir im Besonderen an die Kriegstoten und ihre Angehörigen in der Ukraine. Der Volkstrauertag setzt ein sichtbares Zeichen der Erinnerung und ist ein Symbol für den Schmerz und die Hilflosigkeit der Menschen im Angesicht von Krieg und Verlust.
Wir stehen heute an dem Ehrenmal in Etzenrot und gedenken gemeinsam der Toten unserer Gemeinde und halten die Erinnerung wach.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
als ich über meine erste Volkstrauertagansprache als Bürgermeister von Waldbronn nachdachte, kam mir natürlich sofort der sinnlose Krieg Russlands gegen die Ukraine in den Sinn. Nach über 75 Jahren Frieden in Europa herrscht seit dem 24. Februar 2022 wieder Krieg auf unserem Kontinent. Eigentlich für uns, die wir größtenteils in Frieden groß geworden sind, unvorstellbar. Und doch gibt es in einem Land – nur rund 1600 Kilometer entfernt -  Tod, Trauer, Leid, Verlust, Angst. Eigentlich war Krieg für uns doch immer so weit weg, in anderen ferneren Ländern. Im Jahr 2022 müssen wir Bilder aus der Ukraine sehen, von denen wir gehofft hatten, dass sie sich gerade auf unserem Kontinent niemals wiederholen werden und wir sie nie wiedersehen müssen.

Angesichts des Krieges in der Ukraine werden wir zudem mit konkreten Fragen konfrontiert. Welche Hilfsmaßnahmen, auch militärische, sind die richtigen? Welche Handlungen führen zum Ziel, das heißt, wie schaffen wir es, den richtigen Beitrag zu leisten, um den Krieg zu beenden? Wie soll die Unterstützung der Opfer konkret aussehen? Sie wissen aus den Diskussionen der vergangenen Monate, dass hier derzeit keine Einigkeit besteht. Die Meinungen in der europäischen Politik und Wirtschaft und in Deutschland gehen weit auseinander. Ich bin mir sicher: Diese Diskussionen werden uns auch zukünftig begleiten.

Aber nicht nur die „große Politik“ beschäftigt das Thema. Auch wir als Kommune werden tagtäglich mit den Folgen des sinnlosen Krieges konfrontiert. Rund 80 ukrainische Flüchtlinge bringen wir in Waldbronn bis Jahresende in kommunalen Unterkünften unter, private Unterkünfte nicht mitgerechnet. Darunter viele Kinder und Minderjährige. Gemeinsam mit ihren Familien suchen sie ein Stück Normalität in ihrem Alltag, sie suchen nach einem Platz, um zur Ruhe zu gekommen. So können sie die schrecklichen Ereignisse verarbeiten und hier bei uns – in Waldbronn – zur Ruhe kommen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einen besonderen Dank an unseren Arbeitskreis Asyl „Willkommen für Fremde“ aussprechen. Die Frauen und Männer des Arbeitskreises sind unermüdlich im Einsatz und begleiten die geflüchteten Menschen in ihrem Alltag, sei es bei Behördengängen, beim Arzt oder bei der Hausaufgabenbetreuung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Volkstrauertag ist ein Tag der Trauer, aber auch des Erinnerns und des Kampfes gegen das Vergessen. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass das Leid nicht vergessen wird. Wir müssen versuchen, eine Erinnerungskultur lebendig zu halten. Die dunklen Seiten unserer Geschichte können wir nicht abstreifen oder vergessen. Aber wir können immer wieder – wie heute – einen Raum und Zeit zum Innehalten und Bewusstmachen schaffen. Denn Trauern gelingt nur, wenn wir uns der Erinnerung stellen, vor allem auch der schmerzhaften Erinnerung. Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen. Der einzige Weg, der uns bleibt ist, dafür mit aller Kraft einzutreten, dass Krieg und Diktatur sich nicht wiederholen können. Gerade im Angesicht der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine ist es überlebenswichtiger denn je.

Wir haben eine Verpflichtung, uns für den Erhalt des Friedens und der Schöpfung einzusetzen. Jeder einzelne kann sich fragen, was kann ich – auch im Kleinen – für den Frieden tun? Frieden fängt schon im Kleinen an – Toleranz, Respekt auch dem Nachbarn gegenüber, Versöhnung, Verständigung, Freiheit – das sind doch die Säulen einer friedfertigen und aufgeschlossenen Gesellschaft.

Dieser Tag soll daher auch ein starkes Symbol für Frieden und Versöhnung sein. Er soll uns daran erinnern, dass wir alles für den Frieden in Europa und auf der Welt tun müssen, was in unserer Macht steht. Das gilt auch für unseren unmittelbaren Umkreis im Alltag.

Der Volkstrauertag ist ein Tag der Trauer, aber auch ein Tag des Appells. Er muss ein Tag der Hoffnung sein. Diese Hoffnung dürfen wir nie verlieren. Wir vertrauen darauf, dass wir den Herausforderungen gemeinsam und friedlich begegnen werden und einen Weg zur Verständigung finden können. Wir arbeiten für den Frieden. Die Herausforderung in der heutigen Zeit ist es, sich für das Verbindende in Europa einzusetzen und nicht für das Trennende.

Wir müssen uns mit aller Kraft in Deutschland für Demokratie und Toleranz und in unseren Auslandsbeziehungen für Versöhnung und Verständigung einsetzen.
Denn: Frieden ist doch ein wertvolles Geschenk der Geschichte, das es eigentlich zu bewahren gilt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Ich danke an dieser Stelle allen, die an der Ausrichtung der heutigen Gedenkfeier beteiligt waren. Mein besonderer Dank geht an

-      Pastoralassistentin Laura Müller für die Lesung und für das Gebet

Pfarrer Andreas Waidler,

-      den Musikverein Harmonie Etzenrot/Marching Band unter Leitung von Steffen Dix für die Musikstücke,

-      an die Freiwillige Feuerwehr und das DRK Etzenrot für die Ehrenwache

-      an den gemeindlichen Bauhof und die Gemeindegärtnerei für die Vorbereitungen

-      und Ihnen allen für Ihre Anwesenheit und vor allem für Ihre Anteilnahme!"

Der Spendenaufruf des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zum Erhalt der Soldatenfriedhöfe erbrachte einen Betrag von 292,50 Uhr.