Radtour 2023

Von Miedzyzdroje (Misdroy) nach Reda – eine Fahrradtour auf dem Ostsee-Radwanderweg zu unserer Partnerstadt

Reisebericht von Patricia und Roland Diaz-Bone

Unser Verein hat sich 2023 an ein großes Unterfangen gewagt und eine Reise zu unserer Partnerstadt Reda organisiert. 13 Mitreisende fuhren knapp 400 km in sechs Tagesetappen und erlebten eine abwechslungsreiche und spannende Reise in unser viel zu unbekanntes Nachbarland Polen.

Am 27. Mai ging es los – ein roter Kleinbus der Waldbronner Feuerwehr mit passendem Anhänger sowie der PKW der Familie Diaz-Bone machten sich auf nach Szczecin (Stettin). Die 860 km am Samstag zu Beginn der Pfingstferien hatten es in sich, verschiedene Staus und Unfälle auf dem Weg zerrten an den Nerven. Der guten Stimmung tat es allerdings kaum einen Abbruch. Abends kamen dann alle wohlbehalten im gemeinsamen Hotel an und der Urlaub konnte beginnen. Unsere Vorsitzende Bozena Arnold führte uns in ihrer Heimatstadt Stettin in ein hübsch gelegenes italienisches Restaurant. Die Wartezeiten suchten allerdings ihresgleichen, so dass dann auf die Stadtführung verzichtet wurde. Das Moxy Stettin stellte sich als hippes modernes Stadthotel heraus mit einem Nachteil – das junge unerfahrene Personal weckte ein paar Teilnehmer mitten in der Nacht wegen einem vermeintlichen Notfall, da der Notfallknopf sich von selbst ausgelöst hatte. Als dann geklärt war, dass niemand in dem Zimmer in Gefahr schwebte, war an Schlaf dann nicht mehr zu denken…

Dafür war das Frühstück schon ein kleiner Vorgeschmack auf die köstliche und spannende polnische Küche. Die Kulinarik dieser Region Europas hat keinen besonderen Ruf und die meisten wissen nicht, welche Gerichte für Polen typisch sind – umso begeisterter waren die Teilnehmer, als sie feststellten, dass Polen mit einer sehr hohen Qualität und überzeugender Küche aufwarten konnte. Wir schlemmten uns im Verlauf der Reise durch die verschiedenen Restaurants – allen voran Fisch in allen Variationen. Es geriet allerdings zum Running Gag, dass manche Teilnehmer ein schlechtes Karma hatten, was das Erhalten ihres bestellten Gerichtes anging. Dies besserte sich dann Gott sei Dank im Verlauf der Reise und der Ärger konnte verrauchen.

Dann ging es zum Startpunkt der Radreise nach Miedzyzdroje (Misdroy), einem kleinen Ostseeort in der Nähe des Stettiner Haffs. Die erste Etappe nach Trzesacz (Hoff) mit ihren nur 51 km durch den Wolinski Park Narodowy (Nationalpark Wolin), geriet mit ihren gut ausgebauten Wegen und minimaler Steigung zu einer entspannten Sonntagsfahrt durch schöne Wälder entlang der Küste, um sich als Gruppe zu finden und einzufahren.

        Abfahrt in Misdroy              Vor den ersten Dünen bei Kolberg

Begeistert waren alle Teilnehmer, als sie die feudale Villa Hoff mit ihren Säulen erblickten. Diese hielt, was sie von außen versprach mit einer schönen Architektur, erlesenem Essen und einem schönen Wellnessbereich. Am Abend zog es die meisten zum Strand mit der spektakulären Kirchenruine am Kliff und ins Örtchen zu einem der guten Fischrestaurants. Der spektakuläre Sonnenuntergang rundete den schönen Tag ab.

Insgesamt hatten wir mit dem Wetter mehr als Glück: Während der gesamten Reise konnten wir uns am strahlendem Sonnenschein erfreuen. Die Temperaturen dagegen waren etwas kühl und bewegten sich selten über 20 Grad hinaus. Trotzdem badeten fast jeden Tag einige Teilnehmer in der noch ziemlich kalten Ostsee. An den meisten Stationen konnten wir den weißen feinkörnigen Ostseestrand genießen, zum Teil an spektakulären Orten ohne eine Menschenseele.

Am zweiten Radfahrtag (29. Mai) hatten wir eine kürzere 40 km Etappe nach Kolobrzeg (Kolberg), dem Sol- und Kurbad an der Ostseeküste, und stiegen im gediegenen Hotel Skanpol ab. Nach einer Wanderung durch die Parkanlagen der Stadt und zum Hafen entdeckten wir das sehr hübsche Restaurant „Pod winogronami“ („Unter den Weinreben“), wo wir tatsächlich im Außenbereich unter Weinranken Platz nehmen konnten. Es stellte sich als eine sehr gute Wahl heraus und ist eine Empfehlung für jeden, der nach Kolberg kommt.

Der dritte Tag führte uns über 65 km nach einer Küstenstrecke zur Abwechslung ins Landesinnere. Auf dem Weg kehrten wir an einer Fischerboot-Anlegestelle mit diversen Fischräuchereien ein. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die frisch gefangenen und geräucherten Makrelen als Köstlichkeit in jeglicher Landesküche ihresgleichen suchen. Ein absoluter Geheimtipp!

In Przystawy (Pirbstow), einem kleinen Dorf, nächtigten wir in einem idyllischen, liebevoll restaurierten Haus („Przystawy Agroturystyka“) mit einem tollen Garten. Ein junges alternatives Pärchen hatte hier eine kleine Oase geschaffen, die wir für unser Bergfest nutzen konnten. Der einzige kleine Laden des Ortes versorgte uns mit originellen polnischen Grillwurstsorten, die wir über dem offenen Feuer grillen konnten. Spannende Wurst-Variationen, wie Griebenwurst, zwei würzig geräucherte Varianten und einer mit Kartoffelpüree verfeinerte Wurst fanden begeisterte Abnehmer.

         Ein kulinarischer Höhepunkt - geräucherter Fisch             Grillen in Pribstow

Am Morgen überraschten uns die Gastgeber mit einem sehr innovativen, vegetarischen, selbst angebauten und selbst hergestelltem Frühstücksangebot: Es gab eine Art „baked beans“ auf polnische Art, frisch gepflückten Salat, Radieschen, Käse, Brötchen, Eier, Streuselkuchen, Apfelmus, der auf wiederholte Nachfrage als Marmelade bezeichnet wurde… Gekauftes kam hier nicht auf den Tisch!.

Am vierten Tag ging es wieder zurück an die Küste (Stolpmünde). Ein Zwischenstopp wurde kurz nach der Abfahrt aus Przystawy am Schloss in Darlowo (Rügenwalde - Herkunftsort der gleichnamigen Teewurst!) eingelegt und das Museum besucht, das eine wild zusammengewürfelte Sammlung von historischen Objekten der Schlossgeschichte beherbergt. Dieses ist für Deutsche aufgrund fehlender englischer oder deutscher Beschriftungen nicht so lohnenswert, wie wir feststellen mussten.

Auf der weiteren Fahrt entdeckten wir in einem nur per Fahrrad erreichbarem Küstenabschnitt den definitiv schönsten Strand auf unserer Strecke – kilometerweit keine Menschenseele, ein komplett unberührter weißer feinkörniger Sandstrand. Nur eine Apfelkitsche verschandelte das Idyll, welche wir sofort entsorgten, um die Perfektion wieder herzustellen.

Nach 63 km erreichten wir das Hotel in Ustka, das sich als sehr schön herausstellte: Mit seinem freundlichen Personal, stilvollen und gepflegten Zimmer, einem netten Pavillion im Außenbereich, der für einen geselligen Abend direkt weidlich genutzt wurde, und sein sehr gutes Frühstücksbüffet mit polnischen Spezialitäten wurde es nach der Villa Hoff von den Teilnehmern zum zweitbesten Hotel der Reise gekürt.

Am fünften Tag ging es über 70 km durch die wunderschönen Wälder des Slowinzischen Nationalparks (seit 1977 UNESCO Welt-Biosphärenreservat) nach ŁLeba. Die Wege hatten es in sich, zum Teil fühle man sich eher wie im Sandkasten als auf einem Fernwander-Radweg. Alle Teilnehmer hatten sehr mit dem Untergrund zu kämpfen, aber hielten tapfer durch. Abends kamen wir in ŁLeba an und fuhren direkt weiter zu einem der Highlights dieser Reise: Den Wanderdünen von Łeba  auf einer schmalen Nehrung zwischen dem Łebasee und der Ostsee. Hier erhebt sich eine einzigartige Wüstenlandschaft zwischen der Ostsee und den Kiefernwäldern, die sich mit 12 m pro Jahr weiter bewegt und den Wald unter sich begräbt. Die höchsten Dünen erheben sich bis zu 42 m über dem Meeresspiegel. Die Wanderung durch die Dünen war nach dem langen Radfahrtag zwar beschwerlich, wurde aber mit einem tollen Ausblick belohnt.

         Der Traumstrand der polnischen Ostseeküste             Die Dünen von Leba

Am sechsten und letzten Tag mussten die Teilnehmer die herausforderndste Etappe der Tour mit 80  km und wieder sehr schwierigem Untergrund meistern. So langsam wurden wir zu Sand-Experten und planten schon für Paris-Dakar. Einem Missverständnis geschuldet, dass bestimmte Wege gesperrt waren, versuchten wir, drumherum zu fahren. Leider landeten wir komplett im Wald und mussten uns den Weg wieder zurück kämpfen, um festzustellen, dass die ursprünglich geplante Strecke zwar nicht ideal, aber befahrbar war – zumal uns die Teilnehmer eines Radrennens entgegen kamen und uns immer mal wieder darauf hinwiesen, dass wir in die falsche Richtung fuhren.

Zu Mittag aßen wir bei der Restauracja Nadolanka, einem Traditionsrestaurant in dem schmucken Örtchen Nadole (was „unten“ bedeutet) am Zarnowiecker See. Hier ist besonders die Holzofenpizza zu empfehlen, aber auch verschiedene andere typisch polnische Gerichte.

Abends kamen wir abgekämpft im River Style Hotel in Reda an und wurden von unserer Vereinsvorsitzenden Bozena Arnold herzlich begrüßt. Nun begann der feudale Teil der Reise. Wir wurden abends von der Stadt Reda zu Speis und Trank im MOSiR (Miejski Osrodek Sportu und Rekreacji) eingeladen. Gemeinsam mit den Freunden und Vertretern der Stadtverwaltung aus Reda wurde feuchtfröhlich die erfolgreiche Radtour gefeiert.

         Am Ziel in Reda             Mit unseren polnischen Freunden auf Hel

Am Samstag wurden wir zu einem Ausflug nach Danzig eingeladen – gemeinsam mit der Stadtführerin entdeckten wir Sehenswürdigkeiten, die sogar die Einheimischen noch nicht kannten. Zum Beispiel die 1470 erbaute astronomische Uhr der Marienkirche, der größten Backsteinkirche der Welt, die jeden Tag um 12 Uhr mittags eine sehenswerte Abfolge von Musik begleiteter Bewegungen kunstvoller Figuren zeigt. Sehr eindrucksvoll war ebenfalls der 11 Meter hohe monumentale Bernsteinaltar in der Brigittenkirche in Form einer bis zur Decke und den Seitenschiffen wachsenden Weinrebe. Dieser ist dem Andenken jener 28 Werftarbeiter gewidmet ist, die bei Protesten im Dezember 1970 ums Leben kamen.

Treffpunkt war ein neues Einkaufszentrum Forum Gdansk am SKM-Bahnhof, durch das tatsächlich ein Fluss Kanal Raduni/Radaunekanal fließt! Im Anschluss an die Führung konnten alle die Altstadt auf eigene Faust erkunden. Spannend waren zum Beispiel die georgischen und tartarischen Bäckereien mit ihren exotischen Backwerken sowie das ukrainische Fast Food am Markt, das frittierte Teigtaschen mit unterschiedlichen Füllungen anbot.

           Der Bernsteinaltar in Danzig           Abschied von Reda

Abends gab es wieder eine Festivität in Reda – der Vorsitzende des Stadtrates, Kazimierz Okroj, spendierte uns einen hervorragenden Wildschweinbraten aus heimischen Wäldern. Im Anschluss gab es einen improvisierten Song-Contest: Abwechselnd sangen die Deutschen und die Polen beliebte Lieder aus ihrer Heimat – die Stimmung war bombastisch!

Und last, but noch least: Am Sonntag, dem letzten nutzbaren Tag der Reise, hatten unsere polnischen Freunde für uns ein Bus gechartert, mit dem wir gemeinsam die Halbinsel Hel erkunden konnten. Als stimmungsvollen Abschluss wurden zum einem echt polnischen Grillabend bei unseren Gastgebern eingeladen.

Am Montag ging es nach einer tollen und spannenden Reise zurück nach Waldbronn, wo wir mitten der Nacht übermüdet, aber glücklich ankamen.

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern für das Interesse, die Begeisterung und gute Laune sowie das Durchhaltevermögen und die Mitarbeit bei den zu bewältigenden Herausforderungen! Es war eine Freude, mit Euch zu reisen!