Bürgerbrief des Gemeindetag Baden-Württemberg

Pressemitteilung v. 29.09.2025 - „Was auf dem Spiel steht“ – Städte und Gemeinden weisen auf Lage der Republik hin.


 
Thomas Nowitzki
Kreisvorsitzender 
Amthof 13
75038 OberderdingenTel.:    07045/43-204
Email: nowitzki@oberderdingen.net
 
 
 „Was auf dem Spiel steht“ – Städte und Gemeinden weisen auf Lage der Republik hin.
Der Kreisverband Karlsruhe des Gemeindetags Baden-Württemberg unterstützt ausdrücklich den offenen Bürgerbrief von Präsident Steffen Jäger im Namen der 1.065 Mitgliedsstädte und -gemeinden. Die kommunalen Haushalte und damit wir 32 Städte und Gemeinden geraten zunehmend unter Druck, während die staatlichen Leistungsversprechen immer weiter steigen. Die Folgen sind in allen Kreisgemeinden spürbar.
Allein im Jahr 2025 rechnen mehr als 80 Prozent der Kommunen mit einem unausgeglichenen Ergebnishaushalt. Auch die meisten Städte und Gemeinden in unserem Landkreis können ihre Pflichtaufgaben wie den Ausbau der Kinderbetreuung, die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen oder Investitionen in die kommunale Infrastruktur kaum noch aus eigener Kraft stemmen.

„Wir unterstützen diesen Appell des Gemeindetags ausdrücklich. Die Herausforderungen, die Präsident Jäger beschreibt, sind im ganzen Landkreis spürbar – wir dürfen die kommunale Ebene nicht weiter überfordern“, erklärt Thomas Nowitzki, Bürgermeister von Oberderdingen und Vorsitzender des Kreisverbands.
„Es braucht einen politischen Kulturwandel. Wir brauchen weniger Ankündigungen in Form von ungedeckten Schecks und mehr Umsetzungsfähigkeit – mit realistischen Standards, auskömmlicher Finanzierung und echtem Vertrauen in die kommunale Verantwortung.“

„Der Bürgerbrief spricht uns aus dem Herzen. Er benennt, worum es geht: um Ehrlichkeit, um Verantwortung, um die Zukunftsfähigkeit unseres Staates. Deshalb unterstützen wir den Brief und wollen geschlossen den Bürgerinnen und Bürgern ‚reinen Wein‘ einschenken.“
Deutschland ist ein starkes Land und in unserem Kreis Karlsruhe haben wir in den zurückliegenden Jahrzehnten bewiesen, dass wir erfolgreich sein können. Jetzt brauchen wir den Mut, die Kraft und den Willen, diese Erfolgsgeschichte auch in der Zukunft fortzuschreiben. In der Politik, in den Kommunen aber auch bei jedem Einzelnen. Wir alle müssen bereit sein beizutragen.

Kontakt:
Bürgermeister Klaus Detlev Huge / Bad Schönborn
Oberbürgermeister Nico Morast / Bretten
Bürgermeister Michael Nöltner / Bretten
Oberbürgermeister Petzold-Schick / Bruchsal
Bürgermeister Andreas Glaser / Bruchsal
Bürgermeister Frank Bolz / Dettenheim
Bürgermeister Lukas Lang / Eggenstein-Leopoldshafen
Oberbürgermeister Johannes Arnold / Ettlingen
Bürgermeister Dr. Moritz Heidecker / Ettlingen
Bürgermeister Bernd Killinger / Forst
Bürgermeister Markus Rupp / Gondelsheim
Bürgermeister Christian Eheim / Graben-Neudorf
Bürgermeister Dr. Marc Wagner / Hambrücken
Bürgermeister Björn Kornmüller / Karlsbad
Bürgermeister Sven Weigt / Karlsdorf-Neuthard
Bürgermeister Tobias Borho / Kraichtal
Bürgermeister Frank Burkard / Kronau
Bürgermeister Moritz Baumann / Kürnbach
Bürgermeister Michael Möslang / Linkenheim-Hochstetten
Bürgermeister Markus Bechler / Malsch
Bürgermeisterin Sabrina Eisele / Marxell
Bürgermeister Thomas Nowitzki / Oberderdingen
Bürgermeister Manuel Scholl / Oberhausen-Rheinhausen
Bürgermeister Felix Geider / Östringen
Bürgermeisterin Nicola Bodner / Pfinztal
Bürgermeister Stefan Martus / Philipsburg
Oberbürgermeister Sebastian Schrempp / Rheinstetten
Bürgermeister Jürgen Deck / Rheinstetten
Oberbürgermeisterin Petra Becker / Stutensee
Bürgermeisterin Tamara Schönhaar / Stutensee
Bürgermeister Simon Bolg / Sulzfeld
Bürgermeisterin Katharina Kimmich / Ubstadt-Weiher
Oberbürgermeister Thomas Deuschle / Waghäusel
Bürgermeister Andreas Emmerich / Waghäusel
Bürgermeister Christian Stalf / Waldbronn
Bürgermeister Timur Özcan / Walzbachtal
Bürgermeister Eric Bänziger / Weingarten
Bürgermeisterin Cathrin Wöhrle / Zaisenhausen
 
 

Brief an die Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg

zum Tag der Deutschen Einheit 2025


Stuttgart im September 2025

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

mein Name ist Steffen Jäger, und ich bin Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg – der Stimme von 1.065 Städten und Gemeinden.
Heute will ich mich auf ungewöhnliche Weise direkt an Sie wenden: nicht nur als
Funktionsträger, sondern als Demokrat, als Bürger dieses Landes.
Denn die Lage ist ernst. Das spüren die Städte und Gemeinden. Das spüren Sie. Das spüren wir alle.
Der Krieg in der Ukraine führt uns schmerzhaft vor Augen: Frieden in Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig verschieben sich globale Machtverhältnisse. Die USA distanzieren sich – wirtschaftlich und sicherheitspolitisch. Wir können uns nicht mehr darauf
verlassen, dass andere unsere Verteidigung übernehmen. Wir sind selbst gefordert. Wir müssen selbst Verantwortung tragen.
Gleichzeitig geraten wir wirtschaftlich unter Druck. Zwei Jahre Rezession,
Standortverlagerungen, wachsender internationaler Wettbewerbsdruck: Unsere Volkswirtschaft hat an Schwung verloren.
Wirtschaftliche Stärke ist aber das Fundament für das, was unser Gemeinwesen ausmacht:
ein funktionierender Sozialstaat, ein handlungsfähiger Rechtsstaat, eine lebendige Demokratie.
Diese Demokratie lebt in unseren Städten und Gemeinden. Hier wird im Schulterschluss zwischen Rathaus und Bürgern die Grundlage für das Gelingen unseres Staates gelegt.
Straßen, Brücken, Wasserversorgung, Kitas, Schulen, Feuerwehr, Sport- und Kulturstätten, Vereinsförderung und vieles mehr. Daseinsvorsorge und das gesellschaftliche Zusammenleben sind ohne handlungsfähige Kommunen nicht möglich.
Was droht, wenn wir nicht handeln?
Die Kommunen sind damit das Rückgrat eines gelingenden Staates. Doch ihre Handlungsfähigkeit ist gefährdet. Die Kommunalfinanzen sind in einer solch dramatischen Schieflage, dass bereits die Erfüllung der Pflichtaufgaben kaum mehr möglich ist.
Konkret heißt das: Die Sanierung der Sporthalle, des Kindergartens oder der Schule fallen aus. Investitionen in Klimaschutz oder Klimawandelanpassung werden gestrichen. Die Nutzungsgebühren steigen, die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer reichen nicht mehr aus. Frei- und Hallenbäder lassen sich nicht mehr halten, die Vereinsförderung kommt auf den Prüfstand, Öffnungszeiten in Kitas oder auch der Bibliothek müssen reduziert werden.

Keine dieser Maßnahmen will ein Kommunalpolitiker beschließen – doch vielerorts werden sie unvermeidlich.

Geld allein wird dies jedoch nicht lösen. Denn was wir erleben, ist nicht nur eine finanzielle Überlastung – es ist ein strukturelles Problem. Der Staat lebt über seine Verhältnisse – und das seit Jahren.

Die Summe an staatlichen Leistungszusagen, Standards, Versprechen hat ein Maß erreicht, das mit den verfügbaren Ressourcen nicht mehr erfüllbar ist.

Es braucht deshalb eine mutige Reform – strukturell und gesamtstaatlich

Deshalb sind wir als Gesellschaft gefordert, eine strukturelle Antwort zu geben. Wir brauchen eine ehrliche, gesamtstaatliche Reform. Das heißt: weniger Einzelfallgerechtigkeit und mehr Eigenverantwortung. Wir brauchen eine Aufgaben- und Standardkritik, die den Mut hat, Prioritäten zu setzen. Und wir brauchen die Bereitschaft, neu zu fragen: Was kann und muss der Staat leisten – und was kann er nicht mehr leisten, ohne sich selbst zu überfordern?

93 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Baden-Württemberg fordern eine konsequente Reform in diesem Sinne.

Doch auch wir als Gesellschaft müssen bereit sein, eine solche Reform mitzugehen. Wir müssen beitragen – nicht nur erwarten. Wir müssen vertrauen – in unseren Gemeinsinn, seine Werte und unsere Kraft des Füreinanders. Wir müssen bereit sein, mehr zu leisten – für den Staat, für die Gemeinschaft, für das Gelingen unserer freiheitlichen Demokratie.

Demokratie ist kein Bestellshop – sie ist die Einladung an alle, sich mit ganzer Kraft für eine freiheitliche und wohlständige Gesellschaft einzubringen. Und deshalb kann Demokratie auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn wir alle unseren Beitrag dazu leisten.

Wir brauchen auch Ehrlichkeit in der Migrationspolitik. Integration gelingt dann, wenn die Zugangszahlen beherrschbar und auch Mitwirkung und Rückführung ein wirksamer Teil des Systems sind. Wer zu uns kommt, muss unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte achten. Und er oder sie muss auch zum Gelingen von Gesellschaft und Volkswirtschaft beitragen. Eine erfolgreiche und akzeptierte Migrationspolitik muss dies leisten. Dies aber immer auf der Grundlage von Humanität und Verantwortung. Menschenverächter haben keine Lösungen, sie haben nur Propaganda. Wir Demokraten müssen beweisen, dass wir es besser können.

Und auch beim Klimaschutz gilt: Wir können als Deutschland nur erfolgreich sein, wenn unser Weg für andere Staaten ein Vorbild ist – klar im Ziel, ökologisch wirksam, ökonomisch tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert.

Das Grundgesetz als unser gemeinsames Fundament

Unser Grundgesetz war nie als Schönwetterordnung gedacht. Es wurde formuliert in einer Zeit, in der unser Land moralisch, politisch und wirtschaftlich in Trümmern lag. Es ist eine der 3 größten Wohltaten, die unser Land je erfahren hat. Und es verpflichtet uns: zur Selbstverwaltung, zur Verantwortung, zur Teilhabe. Zur res publica – zur gemeinsamen Sache.

Die Gemeinden sind der Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind.

Es gilt, diese Wirklichkeit anzuerkennen und aus der Krise den Mut zur Erneuerung zu schöpfen.

Und deshalb möchte ich dafür werben: machen wir uns bewusst, was unser Staat, was unsere Demokratie zum Gelingen braucht.

Und dazu gehört zuallererst eine neue Ehrlichkeit und ein nüchterner Realismus: Wir stehen vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Als Vertreter der Kommunen sagen wir Ihnen die Wahrheit: dies wird uns allen etwas abverlangen.

Ich bin aber davon überzeugt, wir können das meistern; Gemeinsam, mit Mut und Willen.

Mit einer Haltung, die nicht fragt, was andere tun, sondern, was wir selbst beitragen können. Die Bereitschaft, auch dann standhaft zu bleiben, wenn es unbequem wird. Die Chance, dass wir alle auch künftig in einem lebendigen und freien Land leben dürfen, muss uns Ansporn sein.

Und daher meine Bitte: Machen Sie mit. Für unsere Kinder. Für unser Land. Für unsere Demokratie. Für uns.

In Verantwortung und Verbundenheit, Ihr Steffen Jäger

(Erstellt am 29. September 2025)